Gesellschaft im Wandel der Zeit
Von der Illusion statischer Gesellschaften
Oft hat es den Anschein, als ob unsere westliche Lebensweise als eine Art von Gott gegebenes Privileg angesehen wird. Demokratie, Freiheit und Sozialstaat sind so tief in den Leben der Menschen verankert, dass diese keinerlei Zweifel an deren Fortbestand hegen. Doch sind Gesellschaften keine statischen Konstanten. Und Demokratie ist auch kein Selbstläufer, sondern verändert und entwickelt sich mit den Bedürfnissen der Bevölkerung. Ein Volk, welches diese Verantwortung aber vernachlässigt, macht den ersten Schritt, seine Demokratie zu verlieren und sie den Machtinteressen der „Global Player” zu opfern.
Um zu verdeutlichen, wie instabil die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse im Lauf der Geschichte immer waren ( und dies bis heute sind ), soll hier ein kleiner Vergleich dienen, in welchem wir uns in ein fiktives Gespräch mit Michaela Mustermann begeben.
Michaela Mustermann (Name aufgrund von Persönlichkeitsrechten geändert. Eckdaten basieren jedoch auf realen Gegebenheiten.) verstarb vor nicht einmal einem Jahr, im Sommer des Jahres 2008, und galt bis dahin als die älteste lebende Deutsche. Sie erreichte das stolze Alter von 111 Jahren. Geboren wurde Frau Mustermann im Jahre 1897, lebte in Berlin Spandau und war bis ins hohe Alter „geistig rege”.
Würde man sich mit einer Person wie dieser Frau Mustermann einmal auf einen kleinen Plausch treffen, in welchem man sie aus dem Nähkästchen ihres Lebens plaudern ließe, so wüsste sie sicherlich einiges zu berichten.
Im Gespräch mit Frau Mustermann
Vielleicht würde Michaela Mustermann uns ihr Leid über den Euro klagen, mit welchem sie immer noch nicht so ganz zurecht käme und welchen sie nach wie vor in DM umrechne. Schließlich sei der Euro ja bereits die fünfte Währung, mit welcher sie umzugehen habe und da suche man sich auf die Dauer nun einmal eine Konstante, mit der man rechnen könne. So würde uns Frau Mustermann wohl alsbald von ihrer Kindheit erzählen, in der sie (bis 1918) mit Goldmark, dann (bis 1923) mit Papiermark [1] und schließlich, im Zeitraum zwischen 1924 und 1948, mit Reichsmark bezahlt habe, bis letztlich die Deutsche Mark (DM) eingeführt wurde, die sie bis zur Einführung des Euro (2002) als Zahlungsmittel verwendet hatte. Doch war sie auch mit der Ostmark der DDR in Kontakt gekommen, da sie einen Großteil ihres Lebens im Westberlinerstadtteil Spandau verbracht hatte, weshalb es im Grunde sogar sechs Währungen gewesen sind, mit denen sie im Laufe ihres Lebens regelmäßig umzugehen hatte.
Über dieses Thema würde das Gespräch vielleicht auf die steigenden Preise und die Inflation kommen, welche die internationale Weltwirtschaft derzeit erfassen. Auch hier hätte Michaela Mustermann einiges zu erzählen. Schließlich sei es für sie bereits die dritte große Finanzkrise in ihrem Leben. Namentlich waren dies die deutsche Hyperinflation in den Jahren 1921 bis 1923 und die wenig später einsetzende Große Depression im Jahre 1929, sowie die Wirtschaftskrise zum Ende der 70er Jahre. Da käme auch die derzeitige Subprime-Krise nur wenig überraschend für sie.
Wahrscheinlich würde sich Frau Mustermanns Blick bei dem Gedanken an diese Zeiten verfinstern und sie würde vom Krieg zu erzählen beginnen. Denn vor allem die Große Depression und die damit einhergehende Massenarbeitslosigkeit hatten den Nährboden für das Nazi-Regime bereitet, welches Deutschland letztlich in den 2. Weltkrieg führen sollte. Doch war dies nicht der einzige große Krieg, den Frau Mustermann erlebt hatte. In die Zeit ihrer Jugend fiel der 1. Weltkrieg und als erwachsene Frau musste sie schließlich auch die Schrecken des 2. Weltkrieges erfahren. Aber auch an den Kalten Krieg, welcher manches Mal kurz vor der Eskalation und somit vor dem Ausbruch eines 3. Weltkrieges (Oder noch schlimmer: Vor der atomaren Vernichtung der zivilisierten Welt!) gestanden hatte, könnte sich Michaela Mustermann sicherlich gut erinnern.
Die gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen, die Frau Mustermann während ihres Lebens miterleben musste, könnte sie uns hierbei ebenso mannigfaltig aufzählen, wie die vorgenannten Beispiele. So erlebte sie während ihrer Kindheit noch die Monarchie des Kaiserreiches (bis 1918), nach Beendigung des 1. Weltkrieges die Ausrufung der Republik, die aber wiederum in den 30er Jahren durch die faschistische Diktatur des 3. Reiches abgelöst werden sollte. Hernach lebte Michaela Mustermann von 1945 bis 1949 unter dem Besatzungsrecht der Alliierten, erlebte die Ausrufung der Bundesrepublik Deutschland, sowie den Sozialismus der DDR und die Wiedervereinigung im Jahre 1990.
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Ps: Ein wirklich scharfsinniger Beitrag, ich kann nur jedem ans Herz legen sich 3,7 Minuten Zeit zu nehmen und den Beitrag zu ende zu lesen.