Grilleau's Blog

April 15, 2010

Lumpenelite intern … und die Kulturrevolution

von Eifelphilosoph

Ich erzähle nicht gern aus meinem Berufsleben. Anfangs dachte ich: „wow – Blogger. Da kannst Du die häßlichen Interna jetzt mal ins Netz stellen.“
Mitlerweile … habe ich mich wieder eingearbeitet in die politischen Wirklichkeiten, meine langjährige Medienabstinenz zurückgefahren und bin in einer Wirklichkeit gelandet, die schlimmer ist, als ich sie mir vorgestellt habe.

Wenn ich sehe, wie wir in den siebziger Jahren mit Konflikten umgegangen sind und was wir heute tun … wir degenerieren in einem unglaublichem Tempo. Wie alle denegenierenden Kulturen gibt es für uns dann allerdings nur ein Ende: das Dicke. Es scheint, als könnten wir uns nur noch die Art des Endes aussuchen.

Früher gab es Friedens- und Konfliktforscher, man hatte aus dem zweiten Weltkrieg, dem Koreakrieg und dem Vietnamkrieg heilsame Lehren gezogen – und wenn es irgendwo krachte, dann schaute man, das man die Ursachen der Spannungen beseitigte und nicht versuchte, die Kontrahenten auszulöschen.

Heutzutage schickt man wieder Panzerhaubitzen anstatt Konfliktforscher, fährt die Entwicklungshilfe zurück und erhöht die Waffenproduktion … Wahnsinn ersetzt weltweit politische Vernunft. Was sollen da die Veröffentlichungen der kleinen Abscheulichkeiten der Pharmaindustrie auf Kosten der Beitragszahler noch verändern? Sie verunsichern nur zusätzlich den Alltag des „kleinen Mannes“, der von der Lumpenelite schon längst nur noch als Nutzvieh angesehen wird, das beschäftigt werden muß, dessen Tag Struktur braucht damit es nicht auf die Straße macht.

Aber nun … gibt es wieder mal einen kleinen Einblick in die Welt, die für mich mal Alltag war.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,688162,00.html#ref=top

Die Hälfte des deutschen Top-Managements stammt aus den reichsten Familien des Landes – und benimmt sich auch so. Dabei zeigt die Bankenkrise, dass jeder Imbissbudenbesitzer den Job genauso gut machen könnte. Wenn die Unternehmen fairer arbeiten wollen, brauchen sie eine Kulturrevolution.

In der Welt dieser Leute ist vor allem eins wichtig: das Schuhwerk. Ob man dazugehört oder nicht, hängt davon ab, wieviel man für Schuhe ausgibt. Wer hunderte von Euro für italienische Maßschuhe ausgibt, der zeigt seinen unbeugsamen Willen. Wer bei Deichmann einkauft, gilt als Verräter, der sich eingeschlichen hat, um Geld für seine Familie beiseite zu schaffen.

Es scheint Wahnsinn zu sein – aber der gleiche Wahnsinn macht sich ja auch in der Politik breit. Wahnsinn … und eine unglaubliche Asozialität.

Es sind die kleinen Gesten, die unbedachten Äußerungen, an denen man den deutschen Spitzenmanager erkennt: Das kurze Zögern, wenn ihm der Name der Mitarbeiterin nicht einfällt, die seit Jahren für ihn schuftet; der abschätzige Blick auf die etwas zu billige Krawatte des Referenten, der dessen Karriere beendet; der Ausruf „Oh, noch keiner da!“, wenn er den Konferenzsaal betritt – in dem bereits die Vorstandsassistentin sitzt.

Dort, wo Menschen noch Menschen sind – z.B. in jeder beliebigen Duisburger Eckkneipe – hätte so ein arroganter Schnösel sofort was auf die Knabberleiste bekommen. Aus rein erzieherischen Gründen. In der Welt des Wahns jedoch … machen solche Häßlichkeiten Karriere – wegen der Schuhe.

An den Schuhen erkennt man sich und danach vergibt man Pöstchen.

Es ist dieses „Wer-kennt-wen?“-Prinzip, nach dem die Führungs-Posten vergeben werden. Es ist dieser Wortnebel aus „Verschlankung“ und „Freisetzung“, mit der Entlassungen von „Kostenfaktoren“ begründet werden, als habe man sich einer ansteckenden adipösen Krankheit entledigen müssen.

Es ist schier unglaublich, wie lange sich absolut unfähige Nullen in Führungspositionen halten können, wieviele Firmen sie ruinieren dürfen, bis sie endlich … in Rente gehen. Sie fallen nie nach unten – wenn sie eine gewisse Höhe erreicht haben und sich zu den Schuhen auch noch den passenden Maßanzug leisten können.

Hier haben wir die Wurzel aller Krisen, aller Unkultur und allen Wahns. Sie ist genau benennbar und wäre leicht zu beheben – wenn man nur wollen würde. Ob nun Agenda 2010, Medienlügen, Wählerverachtung … alles krankt daran, das „oben“ ein paar Kleiderpuppen sind, die sich in der Kleiderpuppenallianz zusammengeschlossen haben und sie gegen die echte Leistungselite mit Händen und Füßen verteidigen, so wie sich die Bischöfe der Kirche gegen kritische Theologen wie Eugen Drewermann verteidigen.

Ihr Antrieb kommt aus der sicheren Erkenntnis ihrer persönlichen Unfähigkeit heraus, darum haben sie die sichere Beherrschung des „Dresscodes“ als einziges zulässiges Elitekennzeichen gesetzt. Kaum zu glauben, aber wahr … ich habe diese Menschen selbst erlebt. Jeder Pommesbudenbesitzer könnte ihren Job machen, aber kein Pommesbudenbesitzer würde den Job mit dieser Arroganz und Verachtung ausfüllen. Bräuchte er auch nicht, weil er Leistung bringen kann und selbstbewußt ist. Die Lumpenelite weiß über sich selbst nur eins: ohne Papas Geld und das Erbe der Generationen währen wir verhartzt auf Lebenszeit.

Darum pflegen sie ein gewisses Weltbild, das sie quasi heilig spricht:

‚“Es gibt Menschen, die sind oben; das sind Gewinner. Und Menschen, die sind unten; die Verlierer.“ Und wenn man sich weigert, das zu akzeptieren? „Dann“, sagte der Coach, „heißt es schnell EDEKA: Ende der Karriere.“

Die „Verachtungskultur von oben“, die eine Direktorin von Siemens einmal in einer Podiumsdiskussion beklagte, kommt „unten“ an. Neun von zehn deutschen Arbeitnehmern fühlen sich laut einer Gallup-Umfrage emotional mit ihrer Firma nicht verbunden, sieben von zehn beklagen, am Arbeitsplatz „nicht als Mensch“ behandelt zu werden.

Die „Verlierer“, für die schnell „Edeka“ ist, sind dann die, die im Ausland mit innovativen Produkten Karriere machen. Günter Ogger hat in „Nieten in Nadelstreifen“ das Thema schon 1995 zur Sprache gebracht -genutzt hat es nichts. Ich las das Buch während einer Nietentagung und dachte mir: „gut, das dieses Land so reich ist. Sonst könnten wir uns diese intellektuellen Schimpansen nicht leisten“. Beliebt war bei den Herren, die mich umgaben, der Autoaufkleber: „Eure Armut kotzt mich an“. Wer sich sowas leistete, bekam auch mehr Boni, weil er das System verstanden hatte, während Geisteswissenschaftler unter dem beständigen Verdacht standen, sie würden heimlich Bücher lesen und sich Bildung aneignen. Wer braucht schon so etwas?

Man kann es weder oft genug noch deutlich genug sagen: dort sitzt die Keimzelle der Krankheit, die dieses Land befallen hat. Nicht nur die Raffgier der Superreichen ist es, die unseren Untergang besiegeln wird, sondern die Tatsache, das sie ihre verzogenen soziopathischen Schnösel auch noch mit aller Gewalt in Wirtschaft, Partei und Politik mit Pöstchen versorgen möchte.

Wäre das nicht so … wären wir wirtschaftlich die Nummer eins. Weltweit. Hightech käme aus Deutschland, nicht aus Japan oder den USA. Armut, Arbeitslosigkeit, Altersarmut wären Horrormärchen in Geschichtsbüchern. So jedoch … leben wir im Horror.

Wenn wir in der Wirtschaft wirklich etwas bewegen wollen, brauchen wir eine Kulturrevolution auch innerhalb der Unternehmen. Wir sollten uns nicht länger dem Menschenbild selbstherrlicher „Leistungsträger“ unterwerfen, die Mitarbeiter unterhalb bestimmter Gehaltsgrenzen als Dispositionsmasse betrachten, und ihren Hass gegen die „Verlierer“ immer unverhüllter auch in die politische Sphäre einbringen. Wir sollten zeigen, dass wir auch anders können. Und besser.

Und dieser Haß wird geprägt durch das sichere Wissen um die eigene Inkompetenz, denn dieses Wissen macht Angst. Diese Angst fordert sichere Grenzen, starre Strukturen, viel Kokain und Alkohol, sonst frißt sie einen auf….und so breitet sich die Kultur der Angst von den Führungsetagen der mächtigsten Institutionen des Landes auf das ganze Land aus. Und darum ist es eine Kulturrevolution, die Änderungen bringen kann. Eine politische Revolution … ändert nur den Inhalt der Kleiderpuppen.

Und so einfach kann es anfangen: die Werte umwerten und nicht mehr Kleiderpuppen als Leistungsträger ansehen.

Jeder Popanz kann sich an das Steuer eines Schiffes stellen, aber nur ein selbstbewußter „Leistungsträger“ rammt den Eisberg. Und so gibt´s dann wieder Erwarten doch noch mal Wirtschaftskrise.

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